Am Nachmittag nehme ich eine angespannte Stimmung in der S-Bahn wahr. Die kurzhaarige Zugbegleiterin geht mit einem strengen Blick durch die Reihen und mit ihr, eine ungewohnte Schärfe. Die Ausnahme, die sie macht, als sie lächelnd in einen Kinderwagen blickt, die wirkt wie ein wohltuender Kontrast. Mit großen Schritten geht sie schließlich auf mich zu. Bereitwillig zeige ich ihr meine Fahrkarte. Sie nimmt diese müde zur Kenntnis und fragt in einem fordernden Ton nach meinem Lichtbildausweis. Das Ungewohnte an diesem Wort fängt an, gut zur Stimmung und zum Verhalten der Zugbegleiterin zu passen. Für einen kurzen Moment kann ich es in ihren Augen und in der Art ihrer Bewegungen wiederfinden. Ich suche etwas fahrig meinen Ausweis und hoffe darauf, mit dem Vorzeigen des Dokumentes, Zufriedenheit bei ihr auszulösen. Sie betrachtet den Ausweis und begründet ihre Nachfrage unverhältnismäßig ausführlich. Dabei erinnert sie mich an die Grundschullehrerin meines Bruders. Diese sammelte leere Toilettenpapierrollen zum Basteln. Der Gedanken daran amüsiert mich, ich beginne zu schmunzeln. Plötzlich höre ich, wie die Dame sich von mir verabschiedet.
15.07.2020
~ Leipzina
Veröffentlicht von Leipzina
Etwas von mir zu erzählen, das fiel mir noch nie schwer, hier die richtigen Worte zu finden, das ist dennoch eine kleine Herausforderung. Vielleicht zunächst das Wichtigste für diese Seite: Ich schreibe gern. Für mich ist das Schreiben wie die „Erschaffung“ eines kleines Ausschnitts, ja eines Fensters, in meine Wahrnehmung und mein Erleben. Dabei macht es mir große Freude auf die Suche nach den richtigen Worten zu gehen. Das Beschreiben mag ich sehr. Auch und besonders weil es die Phantasie so wunderbar antreiben, bereichern, damit auf besondere Weise berühren und etwas in Bewegung bringen kann. Alle Beiträge von Leipzina anzeigen