Am Tisch eines Bäckers sitzen ein Mann und eine ältere Dame. Erst durch näheres Hinsehen fällt auf, dass die Dame im Rollstuhl sitzt. Die Armlehnen des Rollstuhls berühren den Tisch. Das Ambiente der Sitzgelegenheiten, die sich der Bäcker und die gegenüberliegende Fleischerei im Einkaufsmarkt teilen, hat etwas sehr offensichtlich, die vorhandene Kälte übertünchendes. Ich fange an, mich zu fragen, wie die Betreiber darauf kommen, dass das nicht bemerkt werden könnte. Dann höre ich den Mann sagen: „Ich bin Dein Sohn, vierundfünfzig Jahre alt, Du bist meine Mutti, zweiundachtzig und Susanne ist dort drüben. Sie holt uns einen Kaffee. Dann machen wir es uns gemütlich.“ Die ältere Dame nickt, nimmt die Hand des Sohnes und lächelt. Ich bin nicht sicher, ob sie das Gesagte verstanden hat und weiß irgendwie, dass Worte auch nichts zur Sache tun.
17.06.2020
~ Leipzina
Veröffentlicht von Leipzina
Etwas von mir zu erzählen, das fiel mir noch nie schwer, hier die richtigen Worte zu finden - das ist dennoch eine kleine Herausforderung. Vielleicht zunächst das Wichtigste für diese Seite: Ich schreibe gern. Für mich ist das Schreiben wie die „Erschaffung“ eines kleines Ausschnitts, ja eines Fensters, in meine Wahrnehmung und mein Erleben. Dabei macht es mir große Freude auf die Suche nach den richtigen Worten zu gehen. Das Beschreiben mag ich sehr. Auch und besonders weil es die Phantasie so wunderbar antreiben, bereichern, damit auf besondere Weise berühren und etwas in Bewegung bringen kann. Alle Beiträge von Leipzina anzeigen
Ja, Demenz ist schrecklich. Vor allem für die Angehörigen. Ich habe das Thema schon hinter mir, meine Eltern sind nicht mehr. Aber irgendwann bin ich dran … und ob mich dann einer meiner Söhne mit ins Café nimmt und mir sagt, wo und wer ich bin, steht in den Sternen.
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